Annäherung
Schon am Abend zuvor habe ich einige Sachen gepackt: Wasser, etwas zu lesen, Powerbak (für den Notfall),… und natürlich die (meiner Meinung nach total überteuerte) Fahrkarte. Eine Trauerkarte habe ich selbst gemalt. Irgendwie erschien mir das persönlicher.
Nach gut 3,5 Stunden trafen wir dann (endlich) in Bleckede ein. Das erste Wiedersehen, nach so langer Zeit, war dann doch einfacher als gedacht. Ich habe mich allerdings erschrocken, wie aufgedunsen das Gesicht meiner Mutter inzwischen aussieht… (Und sie sich gewundert, dass ich so zugelegt habe…)
Sightseeing
Da bis zur Beisetzung noch einige Stunden war und wir ja bereits Stunden gegessen hatten, schlug ich Ron vor, einen Spaziergang zu machen. Er willigte ein und so hatte ich die Gelegenheit ihm einer meiner alten Wohnorte – Bleckede – näher zu bringen. Am Ende der Tour befand mein Mann, dass es ein schöner Ort sei.
Familienzusammenführung
Seine Schwiegermutter kannte Ron ja bereits, jetzt sollte er – das erste Mal seit 9 Jahren – nun auch endlich seinen Schwager kennenlernen.
Später lernte er noch zwei meiner Tanten, sowie einen meiner Onkels kennen. Glücklicherweise ging es gut und Ron kommentierte später: „Ich kann zumindest nichts Negatives sagen.“ Dafür war die Zeit aber vermutlich auch zu kurz. Manchmal kann (m)eine Familie eben recht anstrengend sein. 🙊
Auf die Schnelle
Rainer hatte sich immer eine Beerdigung ohne viel Tamtam gewünscht. So schlicht wie möglich, so klein wie nötig. Wer kommen möchte solle kommen, wer nicht kommt, klemmt sich den Arsch nicht in der Tür, hat er immer gesagt. Wichtig war ihm aber immer das an dem Tag die Sonne scheint und er eine Ruhestätte hat, bei der es Vögel gibt, denen er immer so gerne zugehört und zugesehen hat. All diese Wünsche wurden erfüllt: Bei strahlend blauem Himmel, fand seine Asche, in einer schlichten weißen Urne, die letzte Ruhe im hinteren, ruhigen, Teil des Friedhofes. Umsäumt von Bäumen, wo die Vögel ein Konzert anstimmten. Die Bestatterin sprach einige Worte, meine Mutter überbrachte ihrem verstorbenen Mann einen Strauß Rote Rosen mit Schleierkraut und bat uns dann darum, aufzubrechen. Einen Schockmoment versetzte Mama mir, als sie zum Abschied, Richtung Grab gewandt, sagte: „Dann bis nachher.“ Glücklicherweise merkte sie offenbar selbst, wie es sich anhören musste und korrigierte ihre Worte. – In jedem Fall war das die schnellste Beisetzung auf der ich je war!
(K)Ein schlechtes Gewissen
Vorweg erwähnter Onkel (angeheiratet) kann ein richtiges Arschloch sein. Als die Urne zu Grabe gelassen, die letzten Worte gesprochen und das Vater unser gebetet waren, kam er zu mir und fragte mich, ob ich eigentlich mal wieder am Grab meines Vaters gewesen sei. Da ich in all den Jahren gelernt habe, dass man sich nie auf (solch) ein Gespräch mit ihm einlassen sollte, konterte ich mit der Antwort: „Nein. Gräber sind für die Lebenden.“ und mit, einem jeweiligen Fingerzeig auf Kopf und Herz: „Ich trage meine Erinnerung hier und hier.“
Ich habe keine Ahnung, was ihm quer saß, aber nach ein paar Minuten meinte mein Onkel dann (nur zu mir): „Das wird jetzt schwer für Marita. Aber sie ist ja zum Glück nicht alleine. Sie hat ja ihren Sohn.“ Ganz diplomatisch antwortete ich einfach gar nicht, sondern lies ihn stehen. Das ich jetzt hier darüber schreibe, zeigt wie sehr es mich geärgert hat. Nicht nur das WAS er gesagt hat, sondern auch, dass diese Worte am Grab des Verstorbenen gesagt hat. Ich fand das ziemlich respektlos, aber vielleicht war es auch der emotionalen Situation geschuldet. Habe ich ein schlechtes Gewissen weil ich „so weit weg“ gezogen bin? Ganz klares NEIN! Es war die beste Entscheidung MEINES Lebens! – Und ich bin ja nicht aus der Welt. Wenn meine Mama mich braucht, bin ich da. So wie gestern. Ich hatte ihr auch direkt nach dem Tod meines Stiefvaters angeboten zu kommen, doch sie wollte die Zeit für sich haben. Und das ist okay so und auch wichtig. Jede trauert eben anders. Das sollte man respektieren!
Irgendwie unwirklich
Wieder (bei uns) Zuhause waren wir total erschöpft und schliefen fast sofort ein. Obwohl wir WISSEN das wir da waren, in Bleckede, auf der Beisetzung, fühlt es sich auch heute, einen Tag später, noch immer total unwirklich an. Es wirkt eher, als hätten wir einen Film gesehen, in dem das alles passierte, als das wir es erlebt haben. Ob das an der rasenden Geschwindigkeit liegt? Oder daran, dass wir es noch immer irgendwie nicht begreifen, nicht fassen, können? Wie wird es sich wohl in drei Tagen anfühlen, wenn wir bereits am nächsten Grab eines Geliebten Menschen stehen…?