Leidensweg einer Migränepatientin 0.2

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich mich mit meinem „Migräneproblem“ Hilfesuchend an meine Hausärztin bzw. ihre Kollegin wandte. Der Termin für die Besprechung des Blutergebnisses und des Tagebuches ist erst in zwei Tagen. Doch mein Körper dachte heute er müsste eine kleine Show für meine Kollegen hinlegen … [Meinem Verstand ist das immer noch oberpeinlich!!!]

Es begann alles wie immer. Ich setzte mich neben den Kollegen der mich einarbeitet, sah zu, hörte zu, … und merkte wie mein Körper immer weiter nach links glitt. Mein Versuch aufrecht sitzen zu blieben scheiterte immer mehr. Um mich herum drehte sich alles. Ich konnte meine Augen kaum aufhalten. – Was die Kollegen zu dem Denken veranlasste, dass ich am Einschlafen war. [Ironischerweise bekomme ich das um mich herum Gesagte trotz Anfall noch ziemlich klar mit.]

Dieses Mal war es aber etwas anders als sonst, denn ich hörte plötzlich mein Blut rauschen. Das war irgendwie faszinierend und unheimlich zu gleich. Blöderweise wurde mir dann nun übel und ich merkte dass ich die Kontrolle vollends verlieren würde. Gerne hätte ich irgendjemand gesagt, dass ich mich hinlegen muss, aber reden geht in so einer Situation nicht mehr. Ich kann zwar halbwegs klar denken, aber meine Lippen formen diese Gedanken einfach nicht. Das ist ein wenig so, als wäre man in seinem eigenen Körper gefangen. Kein schönes Gefühl!

Biowetter
Quelle: Screeshot

Mein Kollege [Azubi] merkte das irgendwas nicht stimmt und sagte seinem Supervisor Bescheid. Dieser, der übrigens genau neben uns am Platz saß, ignorierte das wohl mit einem Schulterzucken. Ich hörte nämlich nur ein „Lass uns rauchen gehen.“ Der Azubi ging glücklicherweise aber nicht, sondern ging zum Abteilungsleiter. Dieser stand dann vermutlich kurze Zeit später (es kam mir aber vor wie eine Ewigkeit) neben mir und berührte mich am Arm. „Hey! Alles okay?“ „Lass mal kurz die Augen auf!“ „Bist du müde oder was?“ … Während ich mehr stotternd-flüsternd als redend erklärte, dass mir schwindelig sein, bemerkte ich, dass mir Tränen über die Wangen liefen. *Sch…* „Hey, alles gut.“

Und schon waren fast alle Kollegen damit beschäftigt irgendwas für mich zu tun. Einer stützte mich, damit ich nicht wirklich vom Stuhl falle, ein anderer organisierte mir ein Glas kaltes Wasser, zwei brachten mich in den Ruheraum auf eine Liege, legten vorbildlich meine Beine hoch (Genau DAS müsst ihr machen, wenn jemand einen Kreislaufzusammenbruch erleidet!) und selbst feuchte kalte Tücher für meine Stirn bekam ich. (Wozu das gut sein sollte, ist mir noch immer ein Rätsel. Ich hatte ja kein Fieber.) Während der ganzen Aktion tauchte auch sechs Mal die Frage auf, ob ein Arzt gerufen werden sollte. – Ich verneinte, denn das hätte nur ewig langes Warten im Krankenhaus auf sich gehabt und drei Infusionen, die ich nicht hätte zu Ende bekommen können, weil ich vorher auf die Toilette müsste. Kenne ich alles schon …

Aus der anderen Abteilung kam dann auch gleich noch eine Dame – Ersthelferin – zur Hilfe. Außer das sie zu allem was die anderen anboten zu tun „Ja.“ Sagte, war sie jedoch irgendwie keine große Hilfe. Als ich „versorgt“ war, fragte sie ob sie bei mir bleiben solle oder ob ich lieber alleine wäre. Ich antworte mit einem: „Ehrlich gesagt ist mir das egal. Mir ist das alles nur grade verdammt peinlich…“ „Muss es nicht. Hätte jedem anderen auch passieren können.“ Ist immer leicht gesagt, wenn es einen eben nicht selbst getroffen hat …

Der Abteilungsleiter fragte, ob sie jemanden anrufen sollen, ob ich abgeholt werden kann und ob ich nach Hause möchte. Da die beiden die in Frage gekommen wären, ja selbst arbeiten mussten, nahm ich nur das nach Hause. – Allerdings wurde ich „gezwungen“ noch ein Glas Wasser zu trinken.

Irgendwie schaffte ich es ohne Probleme heim. Kaum Zuhause sang ich Kloschüssellieder, um mich dann mit einem Kühlpad ins Bett zu legen. Auch jetzt kann ich mich kaum auf dem Stuhl halten, musste aber einfach mal aus der Liegeposition raus, und werde mich jetzt auch wieder in die Waagerechte begeben.

0 Gedanken zu „Leidensweg einer Migränepatientin 0.2“

  1. Gute Besserung, liebe St. Moonlight! Ich kenne das Migräne-Tal mit Eisbeutel, Übelkeit und völliger Schlappheit seit mehr als 20 Jahren, mindestens 1 Mal pro Monat…dann aber gleich für 2 Tage. Eine Spritze mit Lidocain vom Hausarzt in den Nacken und die Schulter verteilt, hat Wunder gewirkt, danach konnte ich sogar wieder arbeiten gehen. Inzwischen nehme ich Sumatriptan, bevor es richtig schlimm wird mit der Migräne, bei mir wirkt das ganz gut 🙂 Aber so einen üblen Anfall, wie du ihn heute hattest und beschreibst, hatte ich noch nie. Bin zwar mal im Bus umgekippt, kurze Umnachtung, die Leute stellten mich wieder auf die Beine, war auch ziemlich peinlich… Manchmal hilft auch einfach: schlafen, schlafen, schlafen und zwischendurch viel Wasser trinken! Alles Gute 🙂

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  2. Dass es dir peinlich ist, ist einfach verständlich. Dass die Ersthelferin nicht weiss, was sie in so einem Fall machen soll, ist leider auch nachzuvollziehen. Man lernt zwar irgendwas mit Kreislauf etc. während der Ersthelferausbildung, aber eben nicht unbedingt die genauen Massnahmen bei Migräne.
    Der liebe Kollege, der lieber rauchen gegangen ist, ist einfach ein Vollpfosten, zumindest in Hinsicht der ersten Hilfe.

    Vorschlag meinerseits: Rede mit deinem Umfeld, dass bei dir so was passieren kann und sag ihnen, was sie dann am Besten tun sollen. Das hilft ungemein. Da stellt dann (fast) keiner Fragen, die du eh nicht beantworten kannst, sondern agiert dann einfach.

    Mir persönlich hat es sehr geholfen, als mir eine Kollegin ganz klar gesagt hat, was ich zu tun habe, wenn sie einen Migräneanfall bekommt.

    Wünsche dir natürlich trotzdem, dass deine Ärztin eine Möglichkeit findet, diese Anfälle zumindest zu reduzieren.

    (Und, dass ich „Gefält mir“ gedrückt habe, liegt daran, dass du deine Situation mit anderen teilst, damit die Hilflosigkeit geringer wird – auf beiden Seiten)

    Viele Grüsse
    Jörg

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