(Ein Beitrag zur Drama-Blogparade)
Rollenspiel ist für mich mehr als nur ein Hobby. Es ist eine Möglichkeit, Geschichten zu erleben, in fantastische Welten einzutauchen und gemeinsam mit anderen Abenteuer zu gestalten. Am Tisch sind wir Heldinnen, Ermittlerinnen, Magier*innen – egal, wer wir im echten Leben sind. Oder besser gesagt: So sollte es sein.
Doch nicht jede Erfahrung am Spieltisch war für mich positiv. Es gab eine Zeit, in der mir der Spaß am Rollenspiel regelrecht genommen wurde – durch Sexismus, der nicht hinterfragt oder reguliert wurde. Diese Erfahrung beschäftigt mich bis heute. Und genau deshalb spreche ich darüber: Weil solche Situationen nicht die Ausnahme sein sollten, sondern ein Problem, das wir gemeinsam anpacken müssen.
Eine Szene, die mich bis heute beschäftigt
Es ist Jahre her, aber wenn ich daran zurückdenke, spüre ich immer noch dieses ungute Gefühl in der Magengrube. Ich spielte in einer Runde mit mehreren Männern – an sich nichts Ungewöhnliches. Doch diesmal hatten sie alle weibliche Charaktere erstellt. Auch das ist erstmal kein Problem. Viele Rollenspielende schlüpfen in Charaktere anderen Geschlechts. Aber das, was dann geschah, war eines.
Statt sich auf das eigentliche Abenteuer zu konzentrieren, begannen sie, ihre Charaktere „spielerisch“ zu betatschen. Detailliert. Intensiv. Ich saß daneben und konnte es kaum fassen. Während mein Charakter sich weiter auf die eigentliche Handlung konzentrierte, verloren sich die anderen in einer überzeichneten, sexualisierten Vorstellung davon, wie Frauen miteinander agieren würden. Der Spielleiter? Tat nichts. Er ließ es einfach geschehen.
Ich fühlte mich unwohl. Sehr unwohl. Hätte es damals schon eine X-Card in unserer Runde gegeben, hätte ich sie gezogen – ohne zu zögern. Aber es gab keine. Und ich wollte nicht einfach aufstehen und gehen, obwohl ich in diesem Moment nichts lieber getan hätte. Stattdessen saß ich da und spürte, wie meine Begeisterung für das Spiel langsam zerbröckelte. Nicht nur für diese Session – sondern generell.
Es war nicht die erste sexistische Szene, die ich erleben musste. Aber es war die, die für mich das Fass zum Überlaufen brachte.
Sexismus am Spieltisch – Ein strukturelles Problem?
Diese Erfahrung war leider kein Einzelfall. Als ich später mit anderen Spielerinnen sprach, wurde mir klar: Viel zu viele hatten ähnliche Erlebnisse. Einige verließen den Tisch und suchten sich eine neue Runde. Andere versuchten, sich durchzusetzen. Und manche – was mich besonders überraschte – passten sich an und spielten ihre Charaktere ebenfalls übertrieben sexualisiert. Vielleicht, weil sie glaubten, das sei der einzige Weg, in dieser Runde akzeptiert zu werden.
Und hier liegt das eigentliche Problem: Es geht nicht darum, dass Männer weibliche Charaktere spielen. Es geht darum, wie sie es tun. Häufig entsteht das Gefühl, dass es dabei nicht um eine authentische Perspektive geht, sondern um eine Fantasie, die auf überholten Klischees basiert. Frauen, reduziert auf ihr Äußeres oder ihre „Verfügbarkeit“. Das ist nicht nur unangenehm – es kann das gesamte Spielerlebnis zerstören.
Was sich für mich geändert hat
Nach dieser Runde verlor ich für eine ganze Weile die Lust am Rollenspiel. Ich konnte mich nicht mehr darauf freuen, weil mir immer wieder diese Szene durch den Kopf ging. Zum Glück änderte sich später meine Gruppe, und es kamen neue Leute dazu, andere gingen. Es dauerte, aber irgendwann konnte ich mich wieder entspannen und das Spiel genießen.
Doch auch in meiner neuen Runde erlebte ich einen Moment, in dem sich ähnliches Verhalten abzeichnete. Diesmal aber war ich vorbereitet. Ich sprach vertraulich mit dem Spielleiter darüber. Er hörte zu – und handelte. Die Situation wurde geklärt, ohne dass jemand bloßgestellt wurde. Und das Ergebnis? Die Atmosphäre verbesserte sich spürbar. Heute spiele ich in einer Runde, in der sich alle wohlfühlen.
Was wir daraus lernen können
Sexismus kann Rollenspielrunden zerstören – aber das muss nicht sein.
✨ Sprecht Probleme an.
Wenn euch etwas unangenehm ist, redet mit der Spielleitung. Nicht erst, wenn das Fass überläuft. Oft ist sich der betroffene Spieler gar nicht bewusst, dass sein Verhalten störend ist.
✨ Session Zero nutzen.
In einer „Session Zero“ kann man vorab über Tabus und persönliche Grenzen sprechen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, solche Gespräche zu führen – sondern von Respekt gegenüber allen Mitspielenden.
✨ Sicherheitsmechanismen einführen.
X-Cards oder ähnliche Tools sollten in jeder Runde existieren. Niemand sollte sich durch ein Spiel unwohl fühlen müssen.
✨ Grenzen respektieren.
Rollenspiel lebt von Fantasie. Aber Fantasie darf niemals eine Entschuldigung dafür sein, andere zu verunsichern oder ihre Grenzen zu überschreiten.
Ich habe gelernt, dass es sich lohnt, den Mund aufzumachen. Früher dachte ich, ich müsste so etwas „aushalten“, um nicht die „Spielverderberin“ zu sein. Heute weiß ich: Es ist genauso mein Spiel wie das der anderen. Und mein Wohlbefinden zählt – genauso wie das von allen anderen am Tisch.
Lasst uns über Rollenspiel sprechen! 🎲
Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, über problematische Dynamiken am Spieltisch zu reden. Deshalb lade ich euch ein, Teil meiner eigenen Blogparade zu werden!
🌟 Thema: „Rollenspiel & Kreativität – Erzähl von deinem Lieblingscharakter“
Habt ihr Lieblingscharaktere, die euch besonders geprägt haben? Oder Charaktere, die ihr nie wieder spielen würdet? Vielleicht habt ihr auch Erfahrungen mit Klischees oder Stereotypen gemacht? Erzählt eure Geschichten!
📌 Mehr dazu hier: Meine Blogparade: RPG-Charaktere
Ich bin gespannt auf eure Erlebnisse und Perspektiven! 💬✨
Vielen Dank für diesen sehr wichtigen Beitrag zur Blogparade!
Tut mir leid, dass du sowas erleben musstest. Ich bin froh, dass dich das nicht permanent vom Hobby entfremdet hat. Auch finde ich es schön, zu lesen, dass du inzwischen eine Gruppe gefunden hast, in der sich alle wohlfühlen.
Dass unreflektiertes, sexistisches Verhalten in vielen Spielrunden vorkommt, kann ich leider bestätigen. 2014 besuchte ich meine ersten Rollenspiel-Convention. Dort saß ich ausschließlich in Spielrunden, in denen es zu solchen Vorfällen kam. Das waren wirklich ohne Ausnahme RPG-Horror-Stories, die ich da erlebte.
Das hat auch mir für lange Zeit die Lust genommen, mich in der Rollenspiel-Szene zu bewegen.
Zum Glück kann ich sagen, dass sich das in den letzten 10 Jahren deutlich gewandelt hat! Inzwischen erlebe ich sowas nur noch selten auf Cons, und wenn, dann besitze ich mittlerweile die sprachlichen Werkzeuge, um den Mund aufzumachen (und die Chuzpe, im Notfall einfach die offene Tür zu nutzen, und zu gehen).
Ein Grund dafür ist, dass sich langsam die Safety-Tools etablieren, die du in deinem Artikel vorstellst.
Man kann gar nicht überschätzen, wie wichtig die X-Karte ist. Sie hilft allein schon dabei, sich nicht zusätzlich zu allem Ärger auch noch überlegen zu müssen, wie man jetzt anfängt, über das Problem zu reden. Stattdessen liegt die Formulierung „Ich möchte das x-en“ immer offen aus.
Ich wünsche dir noch viele tolle Spielrunden – und ich hoffe, ich finde die Zeit, in den nächsten Tagen einen Beitrag für deine Blogparade zu schreiben.
Lieber Fabian,
vielen Dank für deinen wertschätzenden Kommentar! 😊 Es tut mir leid zu hören, dass du auf deiner ersten Rollenspiel-Convention ausschließlich solche negativen Erfahrungen gemacht hast – das ist wirklich bitter und erklärt absolut, warum du dich eine Zeit lang aus der Szene zurückgezogen hast. Umso schöner finde ich es, dass du inzwischen wieder Freude am Hobby gefunden hast und mittlerweile auch die Sicherheit hast, ungesunde Dynamiken klar anzusprechen oder dich notfalls aus solchen Runden zu verabschieden.
Ich stimme dir voll und ganz zu: Die X-Karte (und andere Safety-Tools) sind ein echter Gamechanger! Gerade für Leute, die nicht sofort die passenden Worte finden oder sich nicht trauen, direkt zu konfrontieren, ist es enorm wertvoll, ein einfaches, etabliertes Mittel zur Hand zu haben. Wie du sagst, allein das Wissen, dass die Option „Ich möchte das x-en“ immer offenliegt, kann schon viel Druck rausnehmen.
Es freut mich riesig, dass du vielleicht noch einen Beitrag zur Blogparade beisteuern möchtest! Ich bin sehr gespannt, falls du die Zeit findest – deine Erfahrungen und Perspektiven wären auf jeden Fall eine tolle Bereicherung.
Ich wünsche dir ebenfalls viele fantastische Spielrunden – mit Menschen, die sich gegenseitig respektieren und das Hobby für alle zu einem schönen Erlebnis machen! 🎲✨
Liebe Grüße
Rosi
Danke für Deinen Beitrag. Ich finde es sehr wichtig, dass immer wieder anzusprechen. Es gibt viele Gründe, warum weniger Frauen als Männer Rollenspiel als Hobby betreiben. Sexismus ist einer davon, sowohl wie am Spieltisch gespielt wird, als auch in Abenteuertexten. Mich hat das unbewusst sehr lange davon abgehalten, mich überhaupt mit PnP zu beschäftigen. Daher habe ich auch einen männlich klingenden Username gewählt, als ich mich zum ersten Mal in einem Forum angemeldet habe. Und bei diesem Namen bin ich dann auch geblieben.
Aber ich habe das Gefühl, dass es mittlerweile beim Onlinespielen besser geworden, wobei ich persönlich von vorn herein Runden vermeide, bei denen keine Sicherheitsmechaniken in der Ausschreibung genannt werden.
Hallo,
danke für deinen Kommentar und dafür, dass du deine Erfahrungen teilst! 🙏
Es ist wirklich erschreckend, wie viele Frauen und marginalisierte Gruppen sich aus genau diesen Gründen lange nicht an PnP herangetraut haben – oder sich gezwungen sahen, sich hinter einem männlich klingenden Namen zu verstecken, um nicht direkt in Schubladen gesteckt oder gar belächelt zu werden. Dass du bei deinem Username geblieben bist, zeigt ja auch, wie tief solche Mechanismen greifen.
Ich finde es super, dass du inzwischen deinen Weg ins Hobby gefunden hast – und noch besser, dass du bewusst auf Sicherheitsmechaniken achtest. Gerade beim Onlinespielen hat sich da tatsächlich viel getan, und es ist schön zu sehen, dass immer mehr Gruppen solche Tools von Anfang an in ihre Runden integrieren, aber es bleibt definitiv noch Luft nach oben.
Hoffentlich erleben wir irgendwann eine Zeit, in der solche Mechaniken zwar weiterhin nützlich sind, aber nicht mehr notwendig, weil Respekt und Achtsamkeit einfach selbstverständlich geworden sind. Bis dahin hilft es, genau solche Themen immer wieder anzusprechen – also danke nochmal für deinen Beitrag dazu! 💜🎲
Ich wünsche dir weiterhin tolle Runden mit respektvollen und wertschätzenden Mitspielenden! 🎲✨
Liebe Grüße