Ich war heute auf einer Trauerfeier. Genau genommen war es die merkwürdigste auf der ich bisher war:
Im Rahmen der engen Familie fand die Trauerfeier in dem Trauerraum des Bestattungsinstitutes statt. Ein großer Vorteil war hierbei zum Beispiel das es keine Orgel gab. Statt nervtötender Orgelmusik, gab es also Elton John und Udo Lindenberg. Gibt schlimmeres.
Nachdem die „Kerze im Wind“ zu Ende war, kam eine Dame, welche dann die Trauerrede hielt. Wie so oft eine komplett unbekannte Person, die ihre Informationen lediglich von der Mutter (und der jüngsten Schwester?) des verstorbenen hatte. Da der Verstorbene in den letzten Jahren nicht wirklich viel Kontakt zur Außenwelt hatte, waren diese Informationen spärlich – und diese spärlichen Information war nicht unbedingt etwas, das man unter „gut“ verbuchen würde. – Die Mutter des Verstorben brachte es auf den Punkt: „Er war nicht dumm, aber schwach.“ – Ich kannte ihn nicht wirklich gut, habe ihn nur in seinem bereits gewählten – unverständlichen – Lebensweg kennen gelernt. Ja, sein Gesundheitszustand war alles andere als gut. Allerdings auch zum größten Teil selbstverschuldet. Als dann aber die Rede kam, war ich doch etwas geschockt, denn in jedem dritten Satz erwähnte die Frau in Schwarz eben genau das. Der Verstorbene hätte sich selbst zu Grunde gerichtet, hat die angebotene Hilfe nicht angenommen, hat seine Gesundheit leichtfertig auf’s Spiel gesetzt,… In jedem Satz schwang die Botschaft: „Er ist zwar tot, aber daran ist er auch selbst schuld!“ mit. Auch wenn das alles stimmt, fand ich das extrem unpassend. Wie heißt es so schön „Tote soll man ruhen lassen“ und auch wenn jemand einen für andere nicht verständlichen Lebensweg eingeschlagen hat, so hat der Verstorbene dieses „heruntermachen“ nun wirklich nicht verdient.
Seid ihr andrer Meinung? Sollten auch die „schlechten Taten“ eines Verstorbenen auf einer Trauerfeier erwähnt werden? Oder sollte dem Verstorbenen die letzte Ehre dann eben auch als „Ehre“ gewährt werden? Ich bin gespannt.
:-O
Kommt immer drauf an, um was es geht und wie der Mensch war, denke ich. Wenn der Verstorbene es mit Humor hätte nehmen können, darüber vielleicht geschmunzelt hätte, dann kann es passend sein. Aber einfach immet wieder auf negativen Eigenschaften herumhacken, finde ich unangebracht. Da finde ich es schon wichtiger Würde zu bewahren.
ich muss auch sagen, schwierige frage, auf die ich keine eindeutige antwort habe. ich hatte in den neunzigern mal den auftrag, mustertrauerreden für nicht konfessionelle trauerfeiern zu schreiben. dazu gehörten auch reden bezüglich widersprüchlicher persönlichkeiten, sogar zu kriminellen. war schon herausfordernd…
Auch ich finde diese Frage schwierig; aus leidvoller Erfahrung kann ich nur sagen, um wievieles anders so eine Rede sein könnte, wenn der Redner mit mehreren der am engsten mit dem Toten zu Lebzeiten verbundenen Menschen ein ausführliches Vorgespräch hatte.
Unserer hat sich an einem Sonntagmorgen zwei Stunden Zeit genommen, in dem wir ihm so vieles sagen konnten, und so wurden selbst die nicht ganz so schönen Seiten von dem Redner in einem freundlicheren Licht gesagt.
LG
Ulrike
Ich bin ehrlich gesagt eher für ehrlich, natürlich nicht rumhacken, aber auch nicht was Schönreden was nicht gut war. Oder ganz weglassen, aber das macht dann bei manchen Menschen auch nen völlig falschen Eindruck. Ich glaube aber vor allem, dass es dem Toten ziemlich egal ist, sondern die Angehörigen, oder eben Trauergäste sind die Adressaten der Worte und dafür allein ist es schier unmöglich eine so vielseitige Sache wie ein Menschenleben nach allen Richtungen abzubilden, dass jeder den Verstorbenen so in Erinnerung behalten kann, wie er ihn kannte oder ihn behalten will.